Familien & Geschichte(n)

 

Neumühl, Kohle &  Stahl bestimmt den Alltag

 - woher man kam -

 

Der Bereich zwischen der Lehrer-, Buschhausener-, Halden-, Holtener- mit der Joachim-, Bergmann-, Helenen-, Paul- wurde zu Beginn des 20ten Jahrhundert gebaut und erhielt schon schnell die Bezeichnung Kolonie. Die Eigentümer der Zeche Neumühl, bauten, für die damalige Zeit durchaus attraktive, Unterkünfte. Nicht zu vergleichen mit denen der Thyssenbetriebe in Bruckhausen oder auch nicht mit denen der Concordia in Sterkrade. Dort wohnte man in Mietskasernen, manchmal noch feucht, weil sie gerade erst fertig geworden waren. Die „Trockenmieter“ aus Falladas Berlinromanen (reales Leben der damaligen Zeit, sie wohnten die , vom Putz noch feuchten, Wohnungen gegen geringere Mietzahlung  als die übliche, trocken und zogen nach dem Trockenwohnen aus) waren hier nicht nötig.  Aber trotzdem war das Leben für den  Arbeiter nicht einfach, hatte er einen Arbeitsplatz hatte er in der Regel auch eine Wohnstätte, verlor er den Arbeitsplatz wurde er obdachlos.   

In Neumühl  traf er es auch bezüglich der Wohnsituation besser. Er hatte ein Zimmer (oder die gesamte Familie 2-3 Zimmer und eine große Wohnküche), wenn auch zu beginn noch ohne Heizung und fließendes Wasser, mit beschränkten sanitären Verhältnissen, die Toilette – ein Plumsklo – im Stall über den Hof, aber mit einem kleinen Gartengrundstück. Wenn er aus gutsherrlichen Diensten aus West- oder Ostpreußen oder Schlesien kam, dann war er weniger gewohnt. Kleine Kötter (zur Wohnstätte gehörte dann ein kleiner Landfleck, den man selber bebauen durfte und der Erträge man für die eigenen Versorgung oder zum freien Verkauf behalten durfte), die zu kargem Lohn sich oft von Saison zu Saison als Taglöhner verdingen mussten, die Töchter, wenn es gut kam, zur Herrschaft oder andere freie Bauern „in Lohn“ schicken konnten. Karg war das Auskommen trotzdem. Und nun kam man, erst ein einzelnes Familienmitglied, das seine Ehefrau und Kinder nachholte, dann vielleicht noch seine Brüder und deren Frauen und Kinder, weil er von den besseren Umständen berichten ließ, vielleicht auch schrieb. So jedenfalls war es z.B. bei den Domalskis, Franz Domalski kam kurze vor Ende des 19. Jahrhunderts als Bergmann von Groß Walpitz/Stzum nach Buschhausen in den Jungkamp. Wahrscheinlich war er Gedingschlepper, später Lehrhauer. Man wohnte in den Wohnungen der Zechengesellschaft, selten in freien Wohnungen. Ein Berufswechsel oder Arbeitergeberwechsel war immer auch mit einem Umzug verbunden. Was folgten waren eine Vielzahl von Umzügen, die mit dem Wechsel des Arbeitgebers einhergingen, 1901 in Buschhausen in die dortige Kolonie, im März 1903 im gleichen Stadtteil in die Felderstrasse 38, 1904 in die Hambornerstrasse 32, 1910 noch mal an eine weitere Zwischenstation, 1914 dann in die Hanielstrasse 19. Sterben wird er, wie seine Frau Veronika Krakowski in der Lehrerstrasse 165, bei seinem Schwiegersohn. Sein Bruder Anton kam mit seiner Frau und seiner Tochter Helene, die noch in Waplitz geboren war, 1912 nach Hamborn in die Godtstrasse. Wahrscheinlich hatte Franz ihm von den besseren Verhältnissen berichtet oder berichten lassen,  Von der Godtstrasse 112 zog man in die Fiskusstrasse 12a, 1913 in die Lützwostrasse 6. Dort kamen Hedwig (1914) und Bruno (1915) zur Welt. 1917 hatte sich die wirtschaftliche Situation für die Familie Anton Domalskis aber wahrscheinlich bereits wieder zugespitzt – Anton war bei der Wehrmacht, die Familie ohne den Lohn des Bergmanns – und die Mutter zog mit ihren Kindern zurück nach Groß Waplitz. Anzunehmen, dass die Eltern von Martha Domalski, geb. Mross,  oder die Schwiegereltern Domalski noch dort lebten. Erst nach dem Ende des II. Weltkriegs, 1918,  kommen sie zurück und finden schlussendlich  in der Gerlingstrasse 148 eine langfristige Heimat. Noch in diesem Jahrtausend wohnen Nachfahren an der gleichen Adresse – modernisiert und größer, aber doch im charakteristischen Flair der Bergarbeiterhäuser.

wie die Domalskis kamen Tausende.

Die Weimarer Zeit ist für Hamborn, das seit dem den 80er Jahren des 19. Jhdt. auf über 100.000 Einwohner angewachsen war, keine einfache Zeit. Die Zechenverwaltungen – auch die der Haniels – ist kein Samariter, wer seine Arbeitsstelle verliert ist gleichzeitig ohne Wohnung, weil die Mietverträge mit dem Arbeitgeber geschlossen sind und der nur eigene Arbeiter in seinen Häusern duldet. Ein übriges ergab sich durch die Entlohnungssysteme, die Abhängigkeit von der Erfolgsentlohnung des Gedinge im Bergwerk, das für Mindermengen in den Loren gemeinschaftlich bestraft wurde, in dem die Zuschläge nicht ausbezahlt wurden und fehlendem Krankenschutz.  Als dann in den 20er Jahren noch die Preise explodierten half oftmals nur noch das Anschreiben im Konsum, der selbstverständlich dem eigenen Arbeitgeber gehörte. Eine weitere Abhängigkeit.

Im Schnitt wohnten in den  um die Jahrhundertwende und die 10er und 20er, vielleicht auch noch bis in die 30er Jahren rund 6 Personen in einem Haushalt, verteilt auf 2-3, manchmal  4 Zimmer, 2-3 Betten – meist gebrauchte Eisengestellbetten – einem Kleiderharken, seltener einem Kleiderschrank, zumal die Kleidung anfänglich aus nur wenigen Teilen Bestand, in den 30er und 40er Jahren schon aus einem Sonntagsanzug, - kleid, weißem Hemd und Binder, für den Alltag aber nur wenig mehr, eine Hose, Jacke oder Karmisol, ein Hemd und Unterzeug, seltener zum mehrmaligen Wechseln, meist nur ausreichend, dass der die Wechselwäsche auf dem Ofen oder in der besseren Kolonie wie Neumühl in der Waschküche, in einem Kupferkessel, gewaschen werden konnte.

Schuhe mit Schießdraht umwickelt, damit die Sohle nicht abfiel, waren noch Ende der 30er Jahre auf der Joachimstrasse gang und gäbe. Und die Ermahnung der Mütter, beim Fussballspiel (mit einem drahtumwickelten Stoffball, Lederbälle gab es selbst in den späten 40er Jahren selten und wer einen besaß erwarb besondere Aufmerksamkeit) oder beim „Steine kicken“  auf die Sohl Acht zu geben ist nicht nur einmal gefallen. Neue Sohlen kosteten Geld. Fleisch gab es eher nicht regelmäßig und wenn dann Pferdfleisch, das preiswerter war. Man kaufte, soweit man nicht im Konsum des Zeche Neumühl einkaufen musste oder konnte, auf der Lehrerstrasse, bei Ross, dem Metzger, …..

Den Lohn versuchte man durch die Untermieter, die sogenannten Kostgänger zu verbessern, denen die Hausfrau einen Schlafplatz zur Verfügung stellt und sie (mit-)verköstigte. Was natürlich Auswirkungen auf die sowieso beengten Verhältnisse hatte. Dass das auch auf die persönlichen Beziehungen Auswirkungen hatte, versteht sich fast von selbst. Und der eine oder andere Kostgänger bliebt als Familienmitglied, manchmal freiwillig, manchmal auch „eingefordert“ und manch einer schloss sich der hohen Fluktuation der Hamborner Bewohner an. Hamborn wuchs von rd. 5000 (1885) auf 132.000 (1929) Einwohner an und das vornehmlich durch zuziehende ledige Männer (rd. 85 % der Zuziehenden) und fast die Hälfte davon (rd. 35 % der Zuziehenden) hielt es nur wenige Monate aus bevor er wieder ging. Bei manch einem dadurch begründet, dass er die Verantwortung für den eigenen Nachwuchs nicht übernehmen wollte. Wer nicht als Kostgänger unterkam muss in der Menage (die in den 20er Jahren am Gleisdreieck stand) unterkommen, in jedem Fall die zweite Wahl.

Lebten die Domalskis mit 7 Personen, in der Hanielstrasse (1919, 1 ½ Zimmer), sein Bruder Anton mit 5 Personen in der Gerlingstrasse 148 (1919, 1 ½ Zimmer), so lebte Anton Jaensch mit seiner Frau  Maria und seinen beiden Söhne und seiner Tochter in der Lehrerstrasse 165 (1926 2 Zimmer) schon fast komfortabel. Die Stalbergs, Heinrich, Schmied auf der Zeche Neumühl, beherbergt auf  der Joachimstrasse 16 b, in den 4 Zimmern, mit rd. 50-60 qm, 8 Personen, neben seiner Ehefrau und seinen 4 Kindern, seinen Schwiegersohn Wilhelm Gesper und den gerade geborenen Sohn Hans (1935). 

Man ging zur Schule, meist die Salzmannschule, die seit den 20er Jahren für die Volksbildung und das Wohngebiet zur Verfügung stand, Kinder bekam man zu Hause und viele, vor allem seit den 30er Jahren, werden durch Frau Müller oder Frau Mann  das Licht der Welt erblickt haben und das nicht immer unter einfachen Umständen. So wird von einer Geburt im Mai 1935 berichtet, das die Mutter des Kindes im Lärm der Bauarbeiten kaum zu hören war (man verlegte die Wasserleitungen in der Joachimstrasse) und nur das Machtwort des Vaters und Hausvorstandes ermöglichte es ein ungestörte Geburt und da der Mai 1935 immerhin leidlich warm war, wurde der Geburtsvorgang nicht in die Küche verlegt, sondern konnte etwas „privater“ stattfinden. Durch die Küche musste man durch, wenn man eines der anderen Zimmer betreten wollte und im übrigen war das der einzige Raum, der beheizt war und – in diesem Haus erst nach der Geburt des neuen Erdenbürgers – in dem der einzige Wasseranschluss der Wohnung war. Zur Toilette ging man immer noch über den Hof, die kleinen Anbauten in den Bergarbeiterhäusern der Neumühler Kolonie wurden erst in den 40er Jahren angebaut.

Man lebt mit der Zeche und von der Zeche. Die meisten Bewohner der Joachimstrasse – wie auch der angrenzenden Straßen – waren Bergleute. Lehrhauer, Kohlenhauer, aber auch in der angeschlossenen Zechenindustrie und den Hilfsberufen, Maler, Schmied, Fuhrmänner. Die Unfallgefahr der Zeche schlug oft genug zu, Arbeitsschutz war nicht wirklich ein öffentlicher Auftrag und viele wurden auf dem Pütt zum Invaliden, bezogen eine kleine Rente, wenn überhaupt. Mit schwerwiegenden Auswirkungen auf das Familieneinkommen. Man wohnte mit der Familie und bei der Familie und viele Familiengeschichten lassen sich über 10,20 und 30 Jahre am gleichen Standort verfolgen.

Bereits das Adressbuch der 20er und 30er Jahre liefert dafür einen beredten Beweis. Das zeigt das Beispiel des Hamborner Adressbuchs von 1937 (s. AdressbuchJoachimstrasse). Die Entwicklung über die Jahrzehnte und die entsprechenden Namenslisten für die Häuser zeigen, das die Familie lange an einem Ort lebte. Neumühl war ein Dorf in der Stadt. Von Generation zu Generation lebte man am gleichen Ort, heiratete bekam Kinder. War für den Einzelnen „Schicht im Schacht“, dann war man wegen der kargen Renten gezwungen sich anderweitig zu verdingen, wurde – bei entsprechender Eignung – Kraftfahrer, Maschinist oder Kranführer oder Pförtner und bei den Frauenberufen arbeitete man als Weberin, Verkäuferin oder in der Fabrikation als angelernte Helferin.

Natürlich radikalisierte sich das rote Hamborn als in den 30er Jahren die Depression ihre Folgen auslebte, die Wirtschaft daniederlag und Stempelgeld einen Teil des Familieneinkommens darstellte. Man wurde politisch und auch in den Familien konnte man die widersprüchlichen Meinungen erkennen. Die Radikalisierung war so wie das Wort es vermuten lässt erkennbar und weder die Roten noch die Rechten machten vor (provozierten) Schlägereien und Tötung des „Gegners“ nicht halt. Nicht nur bei Kittelwietsch, der großen Kneipe vor dem Zechentor, sondern auch in den anderen Lokalen wie der Corso Diele oder …………kam es zu Ausschreitungen. Die Zeitungsberichte im Hamborner Generalanzeiger sprechen da eine deutliche Sprache. Und ein Heinrich Stalberg, links-konservativ und Mitglied der SPD konnte mit den Ansichten seines Schwiegersohnes Wilhelm Gesper, der sich der „schicken Uniform“ der stärker werdenden neuen Regierung nicht entziehen konnte, nichts abgewinnen und die Familiengeschichte berichtet über heftige Diskussionen. Deren Brisanz sich durch den Tod des Schwiegersohns 1938 verringerte.

Leben fand häufig auch auf der Straße statt, die räumlichen Verhältnisse waren beschränkt und wenn man nicht schlief oder in der Wohnküche zusammenkam, dann ging´s zum Schroer in die Corso Diele, zu Klapheck, Oploh oder zum Kittelwietsch. Man kaufte in der Drogerie Roß (L.str.  147) oder bei Bollmann (L.str. 165) oder nebenan bei Schroers Süsswarengeschäft (L.str. 167), Kohl kaufte man, wenn man nicht genug von der Zeche bekam, bei Klapheck (L. 199), zum Friseur gings in den 40er Jahren zur Zipfliesel (L.str. 16x) und wenn man ein Foto machen wollte, dann war Kemper eine Adresse (L.str. 162). Natürlich gab es noch Albustin (Lebensmittel), Jebing (Bäckerei) oder Ross(Metzgerei). Wenn es Lohn gab, war das für die Familie besonders kritisch. Nicht jeder Familienvater und Erstverdiener hatte die Disziplin die 100 oder 150 RM  vollständig nach Hause zu bringen. Ein Umstand, der viele Ehefrau veranlasste selber am Zechentor zu warten oder die älteren Söhne abzustellen, damit diese den „ Vadder nach` Joachimstrasse“ brachten, ohne dass es zu einem Zwischenstop kam. Schließlich musste man in den Kolonialwarenläden  seine offene Rechnung bezahlen, die man hatte anschreiben lassen. Gelang das nicht und gehörte der Zeitgenosse zu den etwas Leichtlebigeren, so konnte es schon ein- oder mehrmals passieren, dass man den nicht mehr gehfähigen mit der Schubkarre am Ort des Geschehens abholen und nach Hause bringen musste. In den 40er Jahren für die Joachimstrasse ein bekanntes Ereignis bei einem der Bewohner, was die Kinderschar zu spöttischen Liedern veranlasste und für die Ehefrau, sicher ein Spießrutenlauf, der zu der Sorge um die Bezahlung des laufenden Essens hinzukam. Aber Kindermund ist oftmals rigoros.

In der Joachimstrasse stirbt man auch. Leise und im Kreis der Familienmitglieder, 1942 – im Krieg – aber auch durch Brandbomben und die Folgen des beiderseitigem Luftkrieg. Heinrich Stalbergs Ehefrau Maria Wiemers, stirbt kurz vor Ostern, im April 1942 durch eine Brand- und Splitterbombe. Sie ist in der Küche und kann den Splittern nicht entkommen, ihre Kinder und Enkel sind dabei, ein Erlebnis, dass die Schrecken des Krieges, plastisch werden lassen. In den Bunker, en man meist im Garten ausgehoben hatte, hatte man es nicht mehr geschafft.  Die Kinderlandverschickung nach Österreich und Württemberg, rettet viele Kinder und Jugendliche vor diesen Folgen, die Europa hoffentlich nicht wieder treffen werden.

Nach dem Krieg leidet das Ruhrgebiet zwar unter den Reparationsverpflichtungen, im Gegensatz zur SBZ (der Sowjetischen Besatzungszone) regiert im Westen die Vernunft und statt zu hindern, ist man schnell bereit zu vergessen – leider auch die politische Vergangenheit – und zur Tagesordnung über zu gehen. 20 Jahre später wird auch deshalb die junge Bundesrepublik dadurch noch einmal erschüttert, aber jetzt „Spuckt man in die Hände“, räumt auf, beginnt von vorne. Und die Zeche Neumühl wird gebraucht. Noch. Die Joachimstrasse überlebt. Noch. In den 50er Jahren, man rappelt sich hoch, verdient wieder Geld und hat sein Auskommen, sind die Gärten bevölkert mit Kindern, großenteils sich selbst überlassen und nicht unter dem pädagogisch, didaktischen Zeigestock der 70er Jahre. Freizeit war noch Freizeit und keiner erwartete von jedem Dreikäsehoch seine Karriere zu planen. Noch badeten viele in der Zinkbadewanne in der Wohnküche, die Mädchen in der Waschküche, schlief man auch mit mehreren Kindern noch im gleichen Bett, aber die ersten bauten sich schon Badezimmer, so die Bertholds in der Nr. 16, etwas beneidet, vom manchen auch noch belächelt wegen der „ neuen Mode“. Aber es griff um sich. Bodensenkung, Bergbauschäden, sicher auch die Nachwirkungen des Krieges hatten aber auch zu nachhaltigen Baumassnahmen geführt und einige Umzüge der Bewohner verursacht. Schroers Kino wurde bereits in den 40er Jahre neu gebaut, aber z.B. die Lehrerstrasse 165 weist Anfang der 50er Jahre erhebliche Setzrisse auf und die Bewohner werden ausgelagert, ein Teil zieht in die Hölscherstrasse, Stempelstrasse oder Fiskusstrasse und Bergmannsplatz. Noch ist von einem Abriss in Neumühl keine Rede, man baut.

Das ändert sich Ende der 50er Anfang der 60er Jahre, die Diskussion um die „Sanierung“ der Zechenflächen geht einher mit dem Einbruch des Absatzes der Zeche Neumühl. Der Kapitalismus zeigt seine einseitige Orientierung, sanierte Flächen bringen der Grundstücksgesellschaft mehr Geld, bauliche Verdichtung, d.h. mehr Menschen auf der gleichen Fläche, lässt Renditen in die Höhe schnellen.

Man beginnt – bewusst oder unbewußt – mit der Räumung, Ausmietung. Es gibt immer mehr leerstehende Wohnungen, dann Häuser, manche werden abgerissen. Das „Dorf“ wird aufgelöst. Die Auflösung des Sozialverbandes interessiert die Planer nicht. In Duisburg, zu dem Hamborn-Neumühl seit 1929 gehört, ist man wie in anderen Großstädten der Modernität, amerikanischen Zuschnitts verpflichtet. Funktional und ökonomisch.

Es war nicht alles gut in der alten Zeit, aber die Einbindung des Geborenwerdens, Leben und Sterbens in das Wohnumfeld, das Leben mit dem Alter und den Alten, gehörte dazu. Man lernte damit umzugehen, nicht zu trennen und zu vergessen. All das ist aber in der Stadtplanung kein Kriterium. Bis 1964 wird die Zeche Neumühl insgsamt geschlossen, seit dem geht es nicht mehr um die Frage ob man abreißt sondern nur wann. 1966 „fällt“ die Joachim-, die Pauls-, Bergmann-  und die Helenenstrasse. Keine wird mehr zu Stalbergs in den Kolonialwarenladen gehen, den Cousin in der Hagelkreuzstrasse besuchen oder den Ort seiner Geburt erkennen können. Die Tauben verschwinden, das eigene – wenn auch kleine – Grün. In gewisser Weise ist man wieder bei Thyssens Koloniestrasse angekommen, nunmehr mit Zentralheizung und Balkon, aber sozial vereinsamend, weil das Gartentor fehlt. Der Plausch am späten Sommernachmittag, wenn die Kinder beim Eismann (dem mit dem Milcheis, nicht dem Gefriergutanbieter) ihre rares Taschengeld versetzen, er ist nicht mehr. 
 
Ein paar Bilder aus den 40er und 50er Jahren:

 

 

Eines der Häuser in der Joachimstrasse, fast am Ende zur Lehrerstrasse hin, mit Blickrichtung auf die Buschhausenerstrasse, auf der noch die meisten Häuser stehen – ca. 1955.  Der Eingangswindfang wurde in den 50er Jahren um einen  Toilettenanbau erweitert. Fließend Wasser hatte man bereits 1935 bekommen. Von diesem Zeitpunkt an verfügt jede Wohnung über eine eigene Toilette, zwar immer noch für 5-7 Personen, aber nun auch mit einer „modernen“ Wasserspülung.

 

 

 

 

 

 

 

 

Schüler der Fröbelschule in den 40er Jahren:

 

 

 

 

Ein Kinderbild aus der Joachimstrasse um 1958.  In selbstgestricktem und genähtem, aber immer hin: Schuhe  mit Sohlen, die kein Schießdraht mehr zusammenhalten musste und gut gewärmt.

 

 

 

 

 Sport war schon in den 30er, 40er Jahren  Freizeitvergnügen.  Boxen beim Hamborn 07, Radfahren in den Radrennen von Theisen – dem Fahrradladen auf der Holtenerstrasse oder – wenn man das nötige Geld zusammenbrachte - Motorradfahren gehörte auch in den 50er Jahren noch dazu. Dass man daneben die Taubenzucht nicht aus den Augen verlor ist bekannt. Fast jeder Stall verfügte auch über einen Taubenschlag. Nebenstehend ein Foto einer Sportgruppe aus der Joachimstrasse oberes Ende ebenfalls Richtung Buschhausenerstrasse, die Sportart ist nicht bekannt.

(C) Uwe Gesper 2013